Nicole Kuster teilte uns am 28.8.09 folgendes mit:

 

 

Die Halbgötter in Weiss...

18.8.09/cm. In unserem Sport geht bekanntlich ab und zu ein Knöchlein in die Brüche. Aktuell war es vorgestern das Schlüsselbein von Patrizia, am 2.8. ein Finger von Andréa Khatau und am 21. Juni stürzte Nicole Kuster auf der Hardwiese und hielt sich die leicht schräg nach unten hängende Schulter. Das alles wäre kein Grund zur Aufregung, solange die Reparatur-Equipen anständige Arbeit leisten. Bislang ging ich davon aus, dass die Schweiz generell und Zürich speziell in Sachen Knochenschlosserei hohe Qualitätsstandards habe. Die Geschichte von Nicole Kuster lehrt uns aber, dass man auch in der Limmatstadt sehr wohl unterscheiden muss zwischen verschiedenen Qualitätslevels. Offenbar klafft doch ein grosser Unterschied zwischen einer Klinik von Weltruf wie Schulthess und - z.B. - dem Unispital.

Auf die Nachfrage, ob man sie schon bald wieder zu Pferd antreffe, antwortete mir Nicole Kuster:


Nicole Kuster mit ihrem treuen Trigger, hier in Radolfzell 07

"Ja also irgendwie ist es bedenklich, wie das im Unispital gelaufen ist. Ich kam im Unispital an, im Schockraum grosse Hektik. Halswirbel und Rücken wurden mit CT und MRI untersucht... erste Diagnose: "Nichts gebrochen!" Am Montag, nochmals CT und Röntgen der Schulter. Ich wurde dann mit dem Befund: "Gehirnerschütterung, Schleudertrauma, Bandscheibenvorfall (HWS C4-C6) und Gelenkluxation (Tossy 1)" entlassen. Ich kriegte eine viel zu grosse Halskrause, bei der ich den halben Kopf hätte einstecken können, und ein Orthogilet, das auch viel zu gross war!

Die Behandlung bestand in Physiotherapie wegen des Bandscheibenvorfalls. Es hiess, die Schulter könne ich in der Folgewoche wieder voll belasten. - Das war dann leider nicht der Fall. Ich besprach dies mit der Physiotherapeutin und dem Arzt und erhielt einen Termin beim Orthopäden in Münsterlingen am 21.07.09, also genau einen Monat nach dem Unfall. Da wurde geröntgt und festgestellt, dass das Schlüsselbein abgebrochen sei ("Gelenksluxation Tossy 3"). Mein Schlüsselbein ist unterdessen irgendwo festgewachsen, wo es nicht sollte, und ist überhaupt nicht mehr beweglich. Am 4.8. dann die Besprechung der Operation: Schrauben, Platte, Bänder annähen usw...... eine Operation zwischen 45 & 90min, Hospitalisierung 5 - 7 Tage, Arbeitsunfähigkeit mind. 3 Monate."

Manchmal scheint es doch besser zu sein, sich bei Schlüsselbeinbrüchen gar nicht erst in die Spital-Maschinerie hinein zu begeben. Ich selbst brach meine Schlüsselbeine abwechslungsweise viermal, aber meist irgendwo fern der Heimat in Boekelo, Pau oder Bicton - Orten, wo man sowieso nicht ans Gesundheitswesen glaubt und sich deshalb kurzerhand selbst einen Rucksackverband verpasst und schaut, wie gut es sich einhändig reiten und Autofahren lässt. Zugegeben, für Schönheitskonkurrenzen würden meine holperigen Schlüsselbeine nicht mehr taugen, aber die sogenannte Arbeitsunfähigkeit hielt sich in den engen Grenzen von Stunden...

Nun hoffen wir einfach, dass bei Patrizia nicht dieselben Pfuscher am Werk sein werden, die an Nicole herumlaboriert haben. Aber Peter sprach ja von Balgrist, das berechtigt doch zu Optimismus. Und Nicole wünschen wir auch auf diesem Weg noch gute Besserung und den späten Tipp, Spitäler in Zukunft grossräumig zu umreiten...

 

 

"I glaub i chume nomol..."

23.6.09/cam

...dies der humorvolle Kommentar von Nicole Kuster zu ihrer Spitalentlassung gestern Abend und zu den leichten Schäden, die sie bei ihrem Sturz mit Trigger im Training auf der Hardwiese davon trug und die es nun noch auszukurieren gilt: ein angerissenes Band im Schulterbereich und zwei Bandscheiben, die 'nicht ganz so seien, wie sie sollten'. Der Satz 'I glaube i chume nomol' kann auch als Drohung gelesen werden an alle Konkurrenten, denen sie mit ihren Pferden immer wieder um die Ohren saust. Sie kommt wieder! Just you wait! - Und das ist gut so. Wir freuen uns drauf.

Das ist Nicoles Hund Cindy. Kaum war Nicole gestürzt, war Cindy bei ihr. Bevor noch irgendjemand erste Hilfe leisten konnte und Nicole noch etwas benommen dasass, leckte ihr Cindy die Hände. Als Nicole dann in eine warme Decke eingehüllt auf die Ambulanz wartete, kuschelte sich Cindy ganz nahe zu ihrer Meisterin. Der herbeigeeilte Arzt hatte zum Glück Verständnis und versuchte schon gar nicht, sie zu vertreiben. Als Cindy dann aber nicht mit auf den Krankentransport durfte, war sie ganz aus dem Häuschen, zitterte am ganzen Leib und schaute immer wieder in die Luft, wo der Heli entschwunden war.

Für uns Rösseler und Hündeler vielleicht eine ganz vertraute Geschichte. Aber wenn man weiss, wie tief die Wissenschaft und die nicht mit Tieren verbundenen Teile unserer Gesellschaft immer noch gefangen sind im völlig willkürlichen Vorurteil, Tiere seien geistlose genetisch programmierte Automaten, simpel gesteuert von Fress- und Fortpflanzungstrieben, dann lohnt es sich, solche kleinen Erlebnisse festzuhalten. Sogar in einer renommierten Pferdezeitschrift war kürzlich die mit grösster Selbstverständlichkeit als allgemeingültig hingestellte Feststellung zu lesen, die grösste Freude und wichtigste Beschäftigung der Pferde sei das Fressen. Dass eine derart simplifizierende Dummheit unwidersprochen blieb, erstaunte mich. Jeder Rösseler weiss, wie die meisten Pferde reagieren, wenn ihre Stall- oder Weidegefährten weg sind. Da ist bei vielen an Fressen nicht mehr zu denken. Sie stehen am Zaun und wiehern, bis der oder die Vermisste wieder da ist. Und es gibt Geschichten, wo sich Pferde vom Tod ihres Kameraden gar nicht mehr erholten und ebenfalls eingingen. Geschichten von Freundschaft und Treue, wie sie bei Menschen viel seltener sind. Der Zeitgeist ist ja so, dass zum staatlich garantierten Existenzminimum des Menschen nicht etwa Freunde oder Zuwendung gehören, sondern ein TV-Gerät. Deshalb läuft in so vielen Ställen, wo die Pferde in Einzelhaft 23 Stunden pro Tag vor sich hindämmern, ständig das Radio. Dabei läge es auf der Hand, dass beim Herdentier Pferd vielleicht das soziale Zusammensein, die Möglichkeit, sich zu berühren und zu beschnuppern, sich zusammen zu bewegen, etwas höher zu gewichten wäre als die Berieselung mit von Menschen erzeugtem akustischem Schrott.

Und wer begeisterte Sportpferde hat, die gern auf Turnier gehen, weiss auch, dass es oft reicht, die Rampe des gewohnten Transportfahrzeugs runter zu klappen und das Pferd frei zu lassen - und schwupps, ist es drin. Umgekehrt sind viele Sportpferde stockbeleidigt, wenn sie mal nicht mitdürfen. Ist es so verstiegen, daraus zu schliessen, dass Pferde gern arbeiten, gern was erleben, gern mit dabei sind - und nicht nur den ganzen Tag fressen wollen?

Ich würde mich freuen, von den SEC-Lesern weitere Geschichten zu hören, die zeigen, dass unsere Tiere viel komplexere, differenziertere, intelligentere und auch emotionalere Wesen sind, als sich die anthropozentrische Wissenschaft und die nur mit sich selbst beschäftigten naturfernen Stadtmenschen träumen lassen.