CC Forum 2018

Die CC-Familie traf sich am 24. November beim alljährlichen CC-Forum in Wangen an der Aare. Zu Gast war Doppelolympiasieger Hinrich Romeike, der 2008 in Hongkong mit seinem legendären Holsteinerschimmel Marius Mannschafts- und Einzel-Gold gewann.

Nach einem kurzen nationalen Rückblick, bei dem Yvonne Bont darauf aufmerksam machte, dass die Basisprüfungen B1, Welcome und Geländestil mit über 50% Anteil aller Starts den CC-Sport finanzieren und einem internationalen Überblick von Sportchef Heinz Scheller, der eine steigende Anzahl Dreisternstarts aufwies, orientierte Chef Technik Marius Marro über die Reglementsänderungen und die neue Grundausbildung Pferd.

Andrew Nicholson trainiert Schweizer
Dominik Burger informierte, dass bereits neun Paare formal für die EM 2019 qualifiziert sind. Für die Schweiz gibt es drei Möglichkeiten, sich einen Platz für die Olympischen Spiele in Tokio zu sichern: Die Mannschaft muss die EM unter den besten beiden der noch nicht qualifizierten Teams beenden, die Serie der Nationenpreisturniere gewinnen - oder über Einzelqualifikationen, jedoch nur zwei Reiter pro Land.
Im Jahresdurchschnitt aller Dreisternstarts fiel auf, dass v.a. im Gelände Verbesserungspotential besteht. Burger konnte die freudige Mitteilung machen, dass das Leitungsteam mit einem der weltbesten Geländereitern, Andrew Nicholson, als Geländetrainer für die Schweiz in Verhandlungen steht.

Ehrungen
Patrizia Attinger hatte kaum mehr eine Hand frei für all die Champagnerflaschen, die sie bei den Ehrungen entgegennehmen durfte. Sie war 2018 beste Reiterin nach Rankingpunkten SVPS, ihr vierbeiniger Partner Hilton, im Besitz von Denise Egger, erfolgreichstes Pferd nach Rankingpunkten SVPS, und auch im Swisseventing Dreisterncup hatte sie die Nase vorn. Die Jahreswertung im B&M Juniorencup gewann Caitlin Moore vor Carmen Wittleder und Nana Viktoria Mazotti. Letztere entschied den Final für sich. Im WPR Elite Juniorencup realisierte Nadja Minder mit Violetta und Kabuga einen Doppelsieg. Im Veranstaltercup landete der CC Aarau vor dem CC Bern im Sommer und dem CC Bern im Herbst.

 

 

Hinrich Romeike - ein Zahnarzt wird Olympiasieger

Romeike berichtete über seinen Werdegang vom reinen Amateur und praktizierenden Zahnarzt zum Weltklassereiter. „Für uns Reiter ist Erfahrung unheimlich wichtig“, begann er seine Erzählung mit einem Vergleich zum Film The Cincinnati Kid mit Steve McQueen, der für ihn eine Lehrstunde schlechthin ist, was Erfahrung ausmachen kann.
Mit 15 war er ein Jahr in einem Internat in England. „Ich lernte dort alles fürs Leben“, erzählte er von seinen gelaufenen Strafrunden „Ich lief einige Male den Hügel hoch, aber erst zu cool und zu langsam, woraufhin ich nochmals eine Runde drehen musste. Ich fragte mich anfangs, weshalb beim Klingeln viele Kinder vollgas zur Tür raus rannten - später wusste ich weshalb: in 20 Minuten Pause umziehen, den Hügel hoch rennen, wieder runterrennen, duschen, umziehen und pünktlich zurück im Zimmer erscheinen. Ich rate Ihnen: wenn Sie etwas machen, machen Sie es gleich richtig!“
Der Britische Weitspringer Lynn Davies kam auch von diesem Internat und die ganze Schule kannte ihn. „An der Olympiade 1968 war er Favorit aber scheiterte, weil er nicht fokussiert war, sondern dem Amerikaner Bob Beamon zuschaute, wie er mit neuem Rekord zu Gold sprang. Am Internat hiess es daraufhin ‚lernt was draus, Kinder!‘ - Ich war hochmotiviert und siegeswillig und fragte mich, wie aus Motivation Erfolg wird?“

20jährig war Romeike Deutscher Vizemeister, entschied sich daraufhin jedoch, Zahnarzt zu werden: „Bei uns sind alle Zahnärzte, mein Grossvater gründete vor 90 Jahren eine Praxis“, erzählte er mit sehr viel Witz und Charme. Er ritt also fortan nur nebenbei und gründete eine Familie mit drei Kindern.

Marius der Wunderschimmel
„Marius fiel sozusagen vom Himmel. Auf dem Rückweg vom Skiurlaub rief mich der Züchter an und bot mir den Holsteinerschimmel zur Probe an und warnte mich, dass vor mir einige von ihm runtergeflogen waren. Nach drei Tagen im Stall war er fünfjährig gekauft“, erinnerte er sich. Nachdem er fünf- und sechsjährig am Bundeschampionat der Geländepferde hoch platziert war, dachte Romeike ein Jahr später: „Gelände klappt, aber in Dressur und Springen geht noch was. Also fragte ich Georg Otto Heyser für Dressur und Karsten Huck fürs Springen. Ich wollte nicht an der Spitze ankommen und merken, nicht alles dafür unternommen zu haben und fuhr abends nach der Arbeit eine Stunde ins Training, ritt um 21 Uhr und fuhr danach wieder eine Stunde nach Hause.“

Lehren aus Athen gezogen
Er zeigte das Video der Siegerehrung in Athen, als die deutsche Mannschaft an der OS aufs Treppchen stieg und Gold umgehängt bekam. „Diese Olivenzweig-Kränze auf dem Kopf sehen beschissen aus, fühlen sich aber super an“, schmunzelte er. Das Drama, das folgte, ist Geschichte. Die Medaille wurde aberkannt, da die Franzosen Protest einlegten, nachdem Bettina Hoy die Startlinie zwei Mal durchritten hatte. „Die Amis hatten zehn hochkarätige Anwälte dabei. Unsere gefühlt 10'000 Offiziellen, die gern vorne hinstehen, wenn es was zu feiern gibt, liessen uns mit unseren Problemen alleine dastehen", erinnerte er sich.
" Nachdem ich mich zuerst weigerte, diese Medaille zurückzugeben, da ich mir sagte, dass ein Zahnarzt von hier nie mehr ein solche Chance bekommen wird, wollte ich sie irgendwann nicht mehr haben, markierte sie klitzeklein mit dem Diamantbohrer mit meinen Initialen und schickte sie zurück. Selbst unser Postbote wurde nervös ab dem wattierten Couvert. In den Zeitungen stand gross 'Zahnarzt will Medaille nicht aushändigen'“, spickte er seine Erzählung immer wieder mit Anekdoten. „Ohne Springfehler wäre ich statt fünfter auf dem Bronzerang gelandet, also sagte ich mir ‚du bist schlecht geritten‘. Ich hatte im Parcours ein Blackout im zweiten Springen, das mich diese Einzelmedaille kostete. Ich fragte mich, was passieren müsste, falls ich in vier Jahren nochmals eine solche Chance kriegen sollte, damit ich meine Medaille wiederkriege?“
Er erkannte: „Das Leben kann man nur vorwärts leben, aber nur rückwärts verstehen. Ich hatte einen Plan und fokussierte mich. Für mich war stets ein Pfeil das Symbol für Fokussierung, weil er sich nur auf sich fokussiert dem Ziel entgegenfliegt. Ich öffnete fortan keine Post mehr, überliess dies meiner Frau, schaute keinen TV mehr, verzichtete ein Jahr lang auf den Zucker im Kaffee – ich hasse Kaffee ohne Zucker! – um mir zu beweisen, dass ich stark genug bin. Selbst mein 5. Rang an der WM in Aachen reichte mir nicht, ich wollte meine Medaille zurückhaben.“

Einen Schritt voraus...
Am Testevent im Vorjahr vor der Olympiade flog er als Observer nach Hongkong und schaute sich alles genau an. Er kaufte in einern der berühmtesten Schneidereien, wo auch bekannte Politiker und Stars ihre Anzüge kauften, einen massgeschneiderten Anzug. "Ich bezahlte ihn, nahm ihn aber noch nicht mit. Ich sagte dem Verkäufer, ich werde ihn, wenn ich gut genug bin, in einem Jahr abholen kommen, und sonst könne er ihn verschenken. Ich dachte mir, so hätte ich gegenüber meinen Kollegen bereits einen Vorteil und ein Argument mehr, hierher zurückzukommen.“ Und er schaffte es und flog mit seinem Schimmel zu den Olympischen Spielen.
"Wir warem im Hongkong Jockey Club, dem reichsten Club der Welt, zu Gast. 20'000 Angestellte arbeiten dort für 1000 Galopper. 14% der Steuereinkommen kommen von diesem Club. Ein Hufabdruck neben dem extra für die Pferde angelegten Reitstreifen durch den Golfclub kostet 500 USD Strafe - also springt jeder Reiter, dessen Pferd neben die Spur tritt, ab, denn freilaufende Pferde werden nicht bestraft. Die Aufnahmegebühr beträgt 1 Mio USD und es gibt eine Warteliste", erzählte er humorvoll die Details.

Keine Zufälle, keine Ausreden!
Nach der Dressur lag er an siebter Stelle "Ich hatte mit Georg Otto diese Mittellinie 50 Mal geübt", kommentierte er seinen Ritt. "Einer musste abends starten und die Deutschen meinten ein Schimmel sehe nachts am besten aus, daher waren wir unter Flutlicht am Start."
Im Glände waren aufgrund der sehr hohen Luftfeuchtigkeit die schnellsten Paare mit 30 Sekunden Überzeit im Ziel. Romeike schaffte die viertschnellste Zeit und führte die Zwischenrangliste an. „Ich hatte nur dieses eine Pferd, nicht so viel Routine wie Profis, aber wenn man sich Zeit lässt ist ganz vieles möglich! Dann kann man auch einiges dem Pferd überlassen.“

Im ersten Springen fiel eine Stange, was Mannschaftsgold bedeutete. Eine zweite blieb auf dem Rand der Auflage liegen – wäre sie gefallen, wäre er nicht unter den besten 25%, die fürs Einzelspringen zugelassen waren, gewesen.
Zwischen den Springen zog er die klitschnassen Kleider aus, duschte, zog dieselben Kleider wieder an – bis auf ein trockenes Hemd, das ihm neue Energie gab. „Ich wollte es dem nachmaligen Sieger, der nicht ich sein werde, möglichst schwierig machen“, dachte er sich. Doch es kam anders, er blieb fehlerfrei und schrieb Geschichte.

"In Hongkong erlebte ich 1. Es gibt keine Zufälle, 2. Es gibt keine Kleinigkeiten, 3. Es liegt nie an anderen, sondern immer an sich selbst. Es gibt keine Ausreden, es liegt immer an einem selber!"

„Ich bin beeindruckt von der Stimmung in diesem Raum und Eurer Jugendarbeit. Ich habe ein gutes Gefühl, was die Schweiz in den nächsten Jahren leisten kann. Ich habe Andrew Nicholson als Trainer in Badminton erlebt. Er macht das hervorragend, nur waren die Deutsche leider zu blöd, ihn als Trainer zu behalten. Ihr macht das gut. Da müssen sich ein paar warm anziehen“, schloss er unter tosendem Applaus.